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Herausforderungen und Highlights aus 2020 und ein Ausblick auf 2021

In Summe war 2020 für den High-Tech Gründerfonds trotz aller widrigen Umstände ein erfolgreiches Jahr. Gerade erst hat der Seedinvestor den besten Exit seit Bestehen gesigned. Geschäftsführer Alex von Frankenberg blickt auf die Herausforderungen und Highlights des vergangenen Jahres und wagt einen Ausblick auf 2021.


Alex, herzlichen Glückwunsch. Euer Portfolio-Unternehmen MYR hat im Sommer in Europa die bedingte Marktzulassung für das erste Arzneimittel gegen Hepatitis D bekommen. Nun wird der US-Pharmakonzern Gilead das Life-Sciences-Unternehmen für mindestens 1,15 Milliarden Euro übernehmen*. Ein toller Erfolg.

Wir freuen uns natürlich sehr, das ist vor allem auch ein Verdienst unseres Partners Dr. Bernd Goergen. Er ist selbst Hepatitis-Spezialist und hat früh das Potenzial von MYR erkannt. Es wird unser erster Unicorn-Exit, das ist eine großartige Leistung und sehr guter Erfolg für uns als HTGF. Völlig zurecht betont aber Bernd Goergen stets, dass es vor allem auch für Millionen Hepatitis-D-Patienten eine gute Nachricht ist, dass es nun das erste Medikament gegen die Krankheit gibt.

Wie blickst du insgesamt auf das Jahr 2020?

In Summe positiv, auch wenn es zwischendrin stressig war. Gleich zu Beginn der Pandemie hatten wir einen Corona-Fall im Team. Es war der 12. März, an dem ein Kollege positiv getestet wurde. Wir hatten Glück, ihm geht es gut, und es hat sich niemand angesteckt. Wir haben wie so viele Unternehmen schnell unsere Arbeitsweise auf online und remote umgestellt. Das hat unser Team super gemacht.

Ihr hattet zu Beginn der Krise angekündigt: Wir investieren weiter. Hat das geklappt?

Absolut, das ist unsere Aufgabe, wir haben alle unsere Ziele erreicht. Wir haben 40 neue Investments gemacht, unser Portfolio konnte circa 400 Millionen Euro an Anschlussfinanzierungen einwerben und wir haben 19 Unternehmen verkauft. Es war für den High-Tech Gründerfonds wirtschaftlich durchaus ein erfolgreiches Jahr.  

Und für eure Start-ups?

Für uns ist es nur ein Erfolg, wenn unsere Start-ups erfolgreich sind. Natürlich hatten wir auch Unternehmen im Portfolio, die sehr gelitten haben. Aber wir hatten gleichzeitig eine ganze Reihe, die profitiert haben. Alles rund um das Thema Digitalisierung natürlich, aber genauso andere Firmen aus unserem Life-Sciences-Portfolio. Wir sind wie das Beispiel MYR zeigt, auch in diesem Bereich aktiv als Seed-Investor. Vor der Pandemie haben sich Life-Sciences-Start-ups manchmal schwergetan, Anschlussfinanzierungen zu finden. Plötzlich sehen alle den Wert und die Innovationskraft, die hier durch Start-ups entstehen können. Auch dank des Erfolgs von Firmen wie Biontech und CureVac, die dieses Jahr ihren Börsengang geschafft haben.

CureVac ist in New York an die Börse gegangen, nicht in Europa.

Ich fordere schon lange, dass wir mehr Börsengänge auch hierzulande brauchen. Es gibt hier fast keine IPOs. Teamviewer aus dem vergangenen Jahr oder die Aufnahme von Delivery Hero in den Dax: Das sind Ausnahmen. Stattdessen geht Rocket Internet hierzulande von der Börse. Das gehört leider auch zu einem Jahresrückblick 2020. Für das nächste Jahr gehen verschiedene Experten zwar von mehr Börsengängen deutscher Unternehmen aus, abzuwarten bleibt, ob sie sich hierzulande an die Börse trauen oder doch in einem anderen Land starten. In Summe müssten wir aus dem deutschen Start-up-Ökosystem 20 bis 30 Börsengänge pro Jahr sehen – es sind nicht mal eine Handvoll.

Wie haben sich Investoren im Jahr 2020 sonst verhalten?

Im März war der gesamte Markt unsicher, was wohl passieren wird. Aber viele Geldgeber haben sich wider Erwarten nicht zurückgezogen. Im Gegenteil. Die VC-Kollegen von Atomico haben das in ihrem aktuellen Report „State of European Tech“ bestätigt. Danach sind 41 Mrd. Dollar in den europäischen Markt geflossen, ein Rekord trotz Krise und rund 2,5 Mrd. Dollar mehr als noch im vergangenen Jahr. Das ist doch ein starkes Zeichen für Europas Start-up-Szene. Trotzdem müssen wir uns das für Deutschland genauer ansehen – und da hält die Studie fest, dass hierzulande rund 5,4 Mrd. Dollar in Start-ups geflossen sind, das sind etwa 20 Prozent weniger als noch 2019. Dennoch belegt Deutschland beim Finanzierungsvolumen in Summe Platz zwei im Länderranking. Hinter Großbritannien, aber vor Frankreich und Schweden.

Was sagst du zu den Start-up-Hilfen des Bundes? Zufrieden mit der Entwicklung?

Diese Mittel waren und sind superwichtig. Wir als HTGF haben es zügig geschafft, ein Vertragswerk aufzusetzen, sodass wir die Rettungsgelder in unseren Folgeinvestments mitnehmen können. Wir haben so bereits einen zweistelligen Millionenbetrag platzieren können. Ich bin zufrieden mit der Entwicklung, es ist eine sehr gute Nachricht, dass das Programm verlängert wird. Ursprünglich sollte es ja nur bis Ende 2020 laufen, nun geht es bis zum 30. Juni 2021.

Juni 2021 ist ein gutes Stichwort. Wie wird Deutschlands Start-up-Szene dann dastehen?

Ich bin optimistisch. 2020 war trotz Krise ein gutes Jahr für Europas Start-ups. Das soll nicht außer Acht lassen, dass es auch Start-ups und Unternehmen gibt, die es aufgrund von Corona leider nicht geschafft haben. Zudem gehört es zum Start-up-Business dazu, dass junge Unternehmen scheitern. Alles richtig. Aber insgesamt zeigt die Kontinuität trotz Krise und der Erfindergeist, dass Start-ups und Innovation 2020 noch mal wichtiger geworden sind. Ich hoffe, im Juni 2021 wird sich dieser Trend fortgesetzt haben, und wir werden die schweren Monate hinter uns haben – übrigens auch dank Impfstoffen, die von ehemaligen Start-ups wie Biontech entwickelt wurden.

Nun hat sich die Digitalisierung durch Corona noch mal beschleunigt. Was ist dein Rat an Deutschlands Großunternehmen und Mittelständler?

Ich kann diese Unternehmen alle nur einladen, die Reise der Digitalisierung mitzugehen. Wir haben beim HTGF viele Familienunternehmen, Mittelständler und Konzerne als Fondsinvestoren an Bord. Zusammen mit uns haben sie immer einen Blick auf die aktuellen und innovativen Entwicklungen im Start-up-Bereich. Und dass sich diese Art von Zusammenarbeit lohnt, zeigen unsere Exits.

Abgesehen von MYR: Hast du noch ein Beispiel?

Etwa der Verkauf unseres Portfolio-Unternehmens Emma. Eine E-commerce Plattform für Matratzen, das sich über die Jahre zur sehr erfolgreichen Sleeping-Company weiterentwickelt hat. Dieses Jahres hat mit Haniel einer unserer Fondinvestoren Emma übernommen. Ein Riesenerfolg für das Start-up, ein Riesenerfolg für Haniel und natürlich auch ein Erfolg für uns. Denn wir sind zwar einerseits Europas aktivster Seed-Investor, aber sehen unsere Aufgabe andererseits auch darin, das gesamte Ökosystem samt Netzwerk auszubauen. Und das ist uns hier sehr gut gelungen.  

*Gilead Sciences, Inc. (NASDAQ: GILD) und die MYR GmbH (MYR) gaben bekannt, dass sie eine Kaufvereinbarung geschlossen haben. Gilead wird die MYR für rund 1,15 Mrd. € in Cash übernehmen, zahlbar nach dem Closing der Transaktion plus einer Meilenstein-basierten Zahlung von bis zu 0,3 Mrd. € (beide Zahlungen vorbehaltlich üblicher Anpassungen).

*Der Abschluss der Transaktion unterliegt dem Ablauf oder der Beendigung der Warteperiode nach dem Hart-Scott-Rodino Antitrust Improvements Act und dem Erhalt von Fusionskontrollgenehmigungen in mehreren europäischen Ländern.


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