Interview mit Verena Pausder: Unternehmerischer Aufbruch – make it in Germany!

Verena Pausder - Interview
Verena Pausder, Vorstandsvorsitzende des Start-up-Verbandes

Ihr Beitrag zum Family Day 2024 steht unter dem Motto „Unternehmerischer Aufbruch – make it in Germany!“ Wie kann dieser Aufbruch gelingen?
Wenn Made in Germany das Gütesiegel der Vergangenheit war, dann ist “Make it in Germany” für mich das Zielbild der Zukunft. Der Aufbruch kann gelingen, indem wir eine Gründungskultur fördern, die Diversität und internationale Talente willkommen heißt. Deutschland sollte sich als offener Standort präsentieren, der Innovation unterstützt und bürokratische Hürden minimiert. Wir müssen ein Umfeld schaffen, in dem wir mehr privates und institutionelles Kapital, besonders für deep tech Gründungen aktivieren und dafür sorgen, dass die Startups, die hier gegründet werden auch hier groß werden können.

Sie fordern in einem Beitrag einen neuen Deutschland-Spirit und kritisieren einen “Deutschland schafft sich ab”-Gesang. Wie können wir mehr positiven Spirit in die deutsche Innovationsszene bringen?
Wir müssen unsere Erfolgsgeschichten sichtbarer machen und den Menschen besser erklären, was für einen positiven Einfluss Innovation und neue Technologien auf ihr Leben und Arbeiten haben. Krisenzeiten sind Unternehmerzeiten. Trotz der globalen Unsicherheiten wurden im vergangenen Jahr knapp 2500 neue Startups in Deutschland gegründet -das ist das Gegenteil von „Deutschland schafft sich ab“. Und Deutschland hat die perfekten Zutaten, um zuversichtlich in die wirtschaftliche Zukunft zu sehen: Sehr viele innovative Ideen, besonders im deep tech Bereich, talentierte Unternehmerinnen und Unternehmer und dazu eine international herausragende Forschungslandschaft und eine starke industrielle Basis.  

Sie sind seit etwa einem halben Jahr Vorsitzende des Start-up-Verbandes. Hat sich Ihr Blick auf die Szene verändert?
Seit ich Vorstandsvorsitzende des Start-up-Verbandes bin, sehe ich die Szene noch mehr in ihrer ganzen Vielfalt. Und ich erkenne immer mehr, dass unsere dezentrale, föderale Wirtschaftsstruktur eine Kernstärke unseres Landes ist. Bei uns entstehen die Startups nicht schwerpunktmäßig in der Hauptstadt, wie es in Frankreich oder England der Fall ist, bei uns findet man Land auf, Land ab beeindruckende Unternehmen von Isar Aerospace, über Marvel Fusion bis zu Flix, Getyourguide und 1KOMMA5. Gleichzeitig sehe ich sehr klar, wo politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen verbessert werden müssen, um das Wachstum und die Innovation in diesem Land weiter zu unterstützen.

Was brauchen wir jetzt, um das Start-up-Ökosystem weiter zu stärken? Welche Potenziale gilt es noch mehr zu heben?
Um das Start-up-Ökosystem weiter zu stärken, brauchen wir in erster Linie größere Fonds und mehr Spätphasenkapital, damit wir Innovation und Startups langfristig hier in Deutschland halten können und die Unternehmen nicht irgendwann nur noch hauptsächlich außereuropäischen Investoren gehören. Außerdem müssen wir mehr unserer Weltklasse-Forschung in die Ausgründung bringen und dafür die Strukturen an den Hochschulen verbessern. Und zu guter letzt müssen wir unseren Börsenstandort wiederbeleben, damit durch IPOs im Ausland nicht Rendite, Talent und IP abwandert.

KI, Climate Tech und Deep Tech sind die großen Themen, die die Branche beschäftigen. Wie sehen Sie die deutsche Start-up-Szene hier aufgestellt? Und welche wichtigen Trend-Themen sehen Sie?
Die deutsche Start-up-Szene ist grundsätzlich sehr gut aufgestellt, wir brauchen aber für die genannten Bereiche deutlich mehr Kapital und damit größere Fonds, um international wettbewerbsfähig zu sein. Die großen Trends wie Space Tech, Quantencomputing, Batteriespeicher, Fusionsenergie und Biotech benötigen auch politische Rahmenbedingungen, wie z.B., dass der Staat viel früher Kunde dieser Unternehmen wird und es Startups in diesen Bereichen leichter gemacht wird, an Ausschreibungen teilzunehmen.

Wir diskutieren viel über die Zusammenarbeit von Mittelstand und Start-ups. Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach wichtig, um diese Zusammenarbeit zu intensivieren?
Zunächst einmal müssen wir Begegnungsorte schaffen, an denen Startups und Mittelstand aufeinandertreffen, sich kennenlernen und voneinander lernen. Orte wie der Pioneers Club in Bielefeld, das Munich Urban Colab in München, das BRYCK in Essen sind hierfür gute Beispiele. Um die Zusammenarbeit zu intensivieren, ist es wichtig, Vertrauen aufzubauen und gemeinsame Projekte zu fördern.

Als HTGF haben wir zahlreiche Start-ups im Portfolio, die direkt aus der Forschung und Wissenschaft kommen. Sie sprachen jüngst darüber, dass wir auch eine stärkere Verzahnung von Forschung und Wirtschaft brauchen. Wie ist Ihr Blick?
Deutschland hat eine Weltklasse-Forschung und ist da auf Augenhöhe mit den USA. Wir melden die meisten Patente in Europa an. Doch aus dieser Forschung entstehen noch zu selten marktfähige Produkte und Unternehmen. Startups sind der beste Mechanismus, um wissenschaftliche Durchbrüche schnell in die unternehmerische Praxis zu bringen. Die UnternehmerTUM in München macht es vor: jährlich entstehen dort mehr als 50 wachstumsstarke Technologie-Gründungen. Mit einem eigenen Venture Capital Fond investiert die Hochschule in vielversprechende Technologieunternehmen und bietet mit dem MakerSpace eine 1.500 Quadratmeter große Hightech-Werkstatt für den Prototypenbau. So sind bereits 11 Unicorns daraus entstanden, wie bspw. Celonis, Personio und Lilium.

Sie sind selbst Unternehmerin. Sie haben Kinder-Apps entwickelt, einen Verein für Digitale Bildung ins Leben gerufen, sind Co-Gründerin des Frauenfußballvereins FC Viktoria Berlin. Aus ihrer eigenen unternehmerischen Erfahrung: Was raten Sie Gründerinnen und Gründern, die heute loslegen wollen?
Ich stelle ihnen die Frage: Was ist, wenn es klappt? Was kannst du dann für ein Unternehmen bauen, wie kannst du dann eine ganze Industrie beeinflussen, welche Unternehmenskultur kannst du schaffen, wie kannst du junge Menschen ausbilden, welchen Beitrag kannst du zur Zukunftsfähigkeit unseres Landes leisten? Diese Fragen beflügeln so sehr und sie zeigen, dass wir nicht immer in den Risiken verharren dürfen, sondern uns über die Chancen, die vor uns liegen freuen können.

Sie gelten als große Netzwerkerin. Warum ist ein Event wie der Family Day wichtig für die Szene? Was erwarten Sie?
Events wie der Family Day sind wichtig, um sich persönlich kennenzulernen, Erfahrungen auszutauschen, Ideen zu schmieden und von anderen zu lernen. Ich erwarte inspirierende Gespräche, neue Partnerschaften und innovative Ideen, die aus diesem Austausch entstehen und die deutsche Wirtschaft- und Start-up-Landschaft nach vorne bringen werden.

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