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Investition in New Space: Raum für neue Ideen

Früher arbeitete er selbst mit an Raumfahrt-Missionen, heute investiert er in Start-ups, die ins All aufbrechen: Christian Ziach, Principal beim HTGF, gilt als Experte für New Space. Im Gespräch berichtet er über sein jüngstes Investment, beleuchtet die Kommerzialisierung des Weltraums, die Chancen für Start-ups – und verrät, wie er einst dabei half, eine Gesteinsprobe aus dem All auf die Erde zu bringen.


Christian, woher kommt deine Faszination für die Raumfahrt?

Ich konnte selbst bereits eine erfolgreiche Mission ins All begleiten: 2012 bin ich beim Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt eingestiegen. Gemeinsam mit unseren französischen und japanischen Kolleginnen und Kollegen haben wir 2014 eine Raumsonde zu einem Asteroiden geschickt und sind dort 2018 erfolgreich gelandet. Es wurden Gesteinsproben gesammelt und diese zur Erde zurückgebracht. Eine Bilderbuchmission. In dieser Zeit war SpaceX schon sehr aktiv und mir wurde immer klarer, dass die kommerzielle Raumfahrt immer mehr an Bedeutung gewinnen wird und sich hier ein Paradigmenwechsel abzeichnet.

Seither hat sich die New-Space-Szene stark entwickelt, auch der HTGF investiert in Start-ups in dem Bereich.

Seit Dezember sind wir bei Reflex Aerospace mit dabei. Sie entwickeln Satelliten, die auf die Anforderungen der Kunden genau zugeschnitten sind, aber zu einem Preis von einem Satelliten, der “von der Stange” kommen würde.

Christian Ziach, Principal beim HTGF

Klingt nach einer Quadratur des Kreises.

Was wie ein Widerspruch klingt, wird durch einen vollständig digitalen Design- und Entwicklungsansatz sowie den Einsatz modernster Fertigungsverfahren, wie etwa den 3D-Druck erreicht. Das Start-up ist auch insgesamt sehr gut aufgestellt, hat sehr starke Partner und ist Teil des UNIO Joint Ventures. UNIO ist eine Vereinigung aus namhaften Unternehmen, die eine eigene Satellitentelekommunikationskonstellation aufbauen möchten. Auch die EU hat erst letzte Woche 2,4 Milliarden Euro für den Aufbau einer eigenen Satellitenkonstellation auf den Weg gebracht, woraus sich spannende Synergien ergeben. Am Ende des Tages müssen dieses und andere Satelliten aber auch ins All gestartet werden. Hier sind wir mit unserem Portfolio-Unternehmen Orbex ebenfalls gut aufgestellt. Das Unternehmen entwickelt einen kosteneffizienten Launcher und ist sehr gut positioniert, um sich vom Wachstumsmarkt New Space ein Stück zu sichern

Orbex
Bild: Orbex

Warum werden die kommerziellen Potenziale erst seit wenigen Jahren geschöpft?

Das Problem waren immer die sehr hohen Startkosten. Bei klassischen Raketen lagen die Kosten, um nur ein Kilogramm ins All zu befördern bei über 20.000 Euro. Bei solch hohen Startkosten, wollte niemand riskieren, dass die Satelliten nach dem Start ins All nicht funktionieren. Entsprechend wurden sie sehr intensiv getestet, was die Kosten weiter nach oben trieb. Gleichzeitig war die Bereitschaft gering im All wirklich Neues auszuprobieren. Stattdessen gab man Technologien den Vorzug die sich bereits im All bewährt hatten. Die Innovation blieb so natürlich auf der Strecke. Die Folge: Wir sind nicht mehr zum Mond zurückgekehrt, haben in großer internationaler Anstrengung die Raumstation gebaut, sind aber ansonsten in der bemannten Raumfahrt über den niedrigen Erdorbit nicht hinausgekommen. Auch kommerziell gab es bis auf den Bereich der Satellitentelekommunikation lange keine wirklich gut funktionierenden Geschäftsmodelle. Bis dann SpaceX den Markt verändert hat.

SpaceX ist das Raumfahrtunternehmen von Elon Musk. Welchen Einfluss hat es auf die aktuellen Entwicklungen am Markt?

Musk hat erkannt, dass die hohen Startkosten einer stärkeren Nutzung der Raumfahrt im Wege stehen und dass es ein Irrsinn ist Raketen nach einmaliger Nutzung wegzuwerfen. Entsprechend hat er seine Millionen u.a. aus dem PayPal-Exit in SpaceX investiert und hat in einem ersten Schritt eine stark vertikal integrierte Raketenfertigung aufgebaut, mit der er die Fertigungskosten drastisch reduzieren konnte. Außerdem hat er es geschafft die erste Raketenstufe wiederverwendbar zu machen. Demnächst steht sogar der Start einer komplett wiederverwendbaren Rakete an. Etablierte Unternehmen, insbesondere in Europa, haben ihn für das Vorhaben, noch vor Jahren ausgelacht. Heute lacht keiner mehr, weil SpaceX fast wöchentlich Raketen ins All startet und Ariane in Europa sehr viele kommerzielle Marktanteile abgewonnen hat.  
Neben der Reduktion der Startkosten kamen noch Errungenschaften in der Mikroelektronik hinzu. Diese haben zu kleineren, leistungsfähigeren und kostengünstigeren Satelliten-Systemen geführt. All das hat zu einem Paradigmenwechsel in der Raumfahrt beigetragen.

Was prägt dieses neue Paradigma?

Früher war die Raumfahrt von Staaten geprägt. Nun sehen wir, dass mehr und mehr Privatunternehmen in diesen Bereich einsteigen. Raumfahrt-Know-how ist nicht mehr exklusiv einigen wenigen Staaten vorbehalten. Man spricht deshalb auch von einer Demokratisierung der Raumfahrt. Unternehmen wie SpaceX oder Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos können nun selbst Astronauten ins All schicken. Es gibt schon sehr konkrete Planungen, die nächste Raumstation von privaten Unternehmen aufbauen und betreiben zu lassen. NASA, ESA und Co. würden dann quasi zum Mieter werden.  Es ist davon auszugehen, dass sich hierdurch die Kosten für Forschung, Entwicklung und Produktion im All weiter drastisch senken lassen, was neuen Geschäftsmodellen zum Durchbruch verhelfen könnte.

In welchen Bereichen erleben wir bereits heute die Vorteile der Raumfahrt?

Da gibt es vieles. Nehmen wir den Bereich Umwelt und Klima. Erst Satelliten zeigten uns das Ausmaß des Ozonlochs. Erst dann kam es zu einem Verbot von FCKW. Nur Satelliten können uns verlässlich und flächendeckend Wetter- und Klimadaten liefern. Wir benötigen diese Daten, um Wissenslücken zu schließen und unser Handeln weiter anzupassen. Oder werden wir konkreter: Satelliten unterstützen bereits heute Feuerwehrkräfte bei der Erkennung und Bekämpfung von Waldbränden.

Also werden Satelliten weiter eine große Rolle spielen?

Absolut! Nicht nur in der Klimaforschung. Wir benötigen ein dichtes und funktionierendes Satellitennetz, um auch dem immer höheren Anspruch in der Logistik gerecht zu werden. Nachverfolgbarkeit von Lieferketten zum Beispiel. Oder denken wir an mehr Autonomie im Straßenverkehr. All das und noch mehr sind Aspekte, die den Bereich Space weiter wachsen lassen werden.

Bild: Reflex Aerospace

Wie sind wir hier in Europa aufgestellt?

Wir sind spät dran. Nehmen wir die Ariane 6, das Nachfolgeprogramm zu Ariane 5, der Trägerrakete Europas. Das neue Programm soll zum Ende dieses Jahres starten. Das Problem: Beim Start ist die neue Technologie bereits veraltet. Denn die Ariane 6 ist weiterhin eine Wegwerfrakete.

Warum sind wir nicht schneller?

Ich sehe in Europa vor allem zwei große Herausforderungen: Es fehlt zum einen der Mut zum Leapfrogging – also der Mut, einfach mal ein paar Technologie-Generationen nach vorn zu springen. Zweitens blicken wir immer nur auf die Erfolge der anderen. Verfallen in ein Muster einfach blind zu kopieren. Das ist jedoch zu kurzsichtig. Was wir in Europa brauchen, sind kommerziell getriebene Unternehmen und Initiativen, die auch echte sich selbst tragende Geschäftsmodelle verfolgen. Nur auf staatliche Initiativen zu warten und dauerhaft auf staatliche Subventionen angewiesen zu sein, kann nicht funktionieren.

Wie wird sich die Branche weiter entwickeln?

Sie wird weiterwachsen! Allerdings sollten wir nicht davon ausgehen, dass es hier eine geradlinige Entwicklung geben wird, die nur eine Richtung kennt. Der Gartner-Hype-Zyklus wird auch am New Space Bereich nicht vorbeiziehen. So sind Rückschläge und Konsolidierungen zu erwarten. Das ist ganz normal und auch schon zuvor in anderen Branchen wie der Internetwirtschaft, FinTech etc. beobachtet worden. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass die Start-ups aus dem New Space-Bereich sich häufig an der Grenze des technisch machbaren bewegen und nur zum Teil bereits existierende Märkte adressieren. Teilweise werden auch Lösungen für in der Entstehung befindliche Märkte geschaffen. Für Investoren bieten sich hier große Chancen früh auf die richtigen Teams und Themen zu setzen, aber auch das Risiko, dass das Timing nicht passt. Denn durch die Zinswende in Folge der Inflation ist das Fundraising für die Start-ups schwieriger geworden und sie müssen früher beweisen, dass sich ihr Geschäftsmodell selbst trägt.  Wichtig ist es, das Thema Space nicht als kurzfristigen Trend zu betrachten.  Die Amerikaner und Chinesen sehen im Weltall einen neuen Wirtschaftsraum, den es zu erschließen, bewirtschaften und abzusichern gilt. Entsprechend stellen sie bereits heute die Weichen, indem sie u.a. die Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen optimieren. Raumfahrt ist von daher als kritische enabling Technology zu sehen. Wollen wir in Europa nicht den Anschluss verlieren müssen staatliche Institutionen aber auch Investoren konsequent handeln.

Vielen Dank für das Gespräch, Christian.

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