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Simone Menne im Gespräch: „Wir müssen uns wieder mehr auf die Grundlagen konzentrieren!“ 

Simone Menne gilt als eine der wichtigsten Stimmen für Innovation in Deutschland. Schließlich kennt sie die Wirtschaft hierzulande sehr gut. Sie war Finanzchefin von Lufthansa und Boehringer Ingelheim, ist heute in zahlreichen Aufsichtsräten aktiv und teilt ihre Expertise mit einem breiten Publikum. So auch als Keynote Speakerin auf dem Family Day des High-Tech Gründerfonds, der am 9. und 10. Mai in Bonn stattfindet. Vorab haben wir sie zum Gespräch getroffen: ein Interview über Innovation, Disruption und den richtigen Fokus. 


Frau Menne, der Titel Ihres Vortrags auf dem Family Day lautet: „Über die neue Ordnung der Innovation in Unternehmen“. Wie sieht es mit Innovationen in Unternehmen aus? 

In großen Unternehmen wird viel innoviert. Es wird regelmäßig etwas Neues produziert, erfunden und verbessert. Aber diese Innovation ist nicht sehr sichtbar und selten disruptiv. 

Ok, lassen Sie uns über beides sprechen, Sichtbarkeit und Disruption. Zu Ersterem: Warum passiert Innovation eher im Hintergrund und abseits der Öffentlichkeit?  

Dafür gibt es verschiedene Gründe. Zum Teil ist es Zurückhaltung, damit nicht zu viele Leute mitbekommen, woran man gerade arbeitet. Teilweise ist es auch die Angst, dass die Innovation nicht funktionieren könnte. Hier geht es vor allem darum, das eigene Risiko zu minimieren. 

Ist es ein Problem, dass Innovation in Großunternehmen nach außen eher unsichtbar ist?  

Nein, das ist es nicht. Wer Innovation treiben will, muss sich austauschen, das Wissen mit den richtigen Leuten teilen. Wenn Unternehmen Schweigemauern errichten, wird das irgendwann zum Problem. Aber größere Unternehmen können diese Mauern intern überwinden. Schließlich sind sie groß genug, um Kolleginnen und Kollegen zu haben, die mich auch mal herausfordern. 

Sie haben die Disruption erwähnt: Warum sind Innovationen in Unternehmen selten disruptiv? 

Nun, wir sind sehr gut darin, das zu innovieren, was wir können. Nehmen wir zum Beispiel den Elektromotor in der Automobilindustrie: Auf diese disruptive Innovation haben Deutschlands Autobauer später gesetzt als andere. Jetzt sind wir sehr gut im Nachziehen. Wir bauen tendenziell bessere Elektromotoren als die internationale Konkurrenz. Wir haben auch die Möglichkeit, immer bessere Batterietechnik zu bauen. Wir können sehr innovativ sein. Aber wir stellen unsere eigenen Geschäftsmodelle zu wenig in Frage. 

Bild Simone Menne (c) Jim Rakete
Simone Menne (Copyright: Jim Rakete)

Woran liegt das? Warum fordern wir uns zu selten heraus? 

Weil wir in Deutschland in den letzten 30 Jahren sehr erfolgreich waren. Und – wie wir gerade erleben – auch in herausfordernden Zeiten noch sehr erfolgreich sein können. Aber unsere Geschäftsmodelle sind im Zweifel nicht mehr nachhaltig und schrumpfen. Um wachsen zu können, muss ich Disruption zulassen. Und da sind wir in Deutschland zu schlecht. 

Wenn man Studien wie zuletzt dem Global Innovation Index glaubt, ist Deutschland in der Innovationskraft nicht ganz vorne mit dabei. Was müssen wir hierzulande tun?  

Wir müssen uns dringend auf die Grundlagen konzentrieren: Damit meine ich Bildung oder Infrastruktur. Wenn wir hier investieren und unserem Nachwuchs bereits erfolgreich beibringen, wie man Dinge entwickelt und einfach mal etwas ausprobiert, dann wirkt sich das langfristig auf die Innovationskraft auch unserer Unternehmen aus.  

Können Start-ups dabei helfen? 

Absolut! Start-ups sind fast immer disruptiv und haben oft neue Ideen. Die Herausforderung ist, dass sie in der Zusammenarbeit mit Unternehmen Fuß fassen müssen. „Not invented here“ ist immer noch ein beliebtes Mantra in vielen Unternehmen. Das heißt, viele akzeptieren keine neuen Ideen, wenn sie nicht aus dem eigenen Haus kommen. 

Wie würden Sie das Start-up-Ökosystem in Deutschland beschreiben? 

Ich habe gelernt, dass es das eine Start-up-Ökosystem in Deutschland nicht gibt. Jede regionale Szene tickt ein bisschen anders. Ich selbst komme aus Kiel. Dort sind junge Unternehmen im Bereich der Zukunftsenergien sehr aktiv und erfolgreich. In München hingegen ist der Fokus komplett anders. Für Start-ups generell ist es wichtig für sie das optimale Umfeld zu kennen. Und eben dorthin zu gehen, wo man das beste Ökosystem für sich findet. 

Was sollten Start-ups tun, um erfolgreich mit Unternehmen zusammenzuarbeiten? 

Start-ups müssen sich gut vorbereiten. Sie müssen genau herausfinden, für welches Problem, für welche Herausforderung in den Unternehmen sie eine echte Lösung haben. Viele Start-ups denken mit ihren Angeboten zu weit, schaffen Lösungen, die etablierte Unternehmen noch gar nicht brauchen.  

Was raten Sie Start-ups? 

Aktiv sein und ein Netzwerk aufbauen. Start-ups sollten ihre Branche genau kennen. Und auch die richtigen Leute: Oft ist es nicht der Vorstand, der ein Problem hat, für das das Start-up die Lösung hat. Sondern eine andere, vielleicht kleinere Einheit in einem Konzern. 

Was erwarten Sie von einem Event wie dem Family Day? 

Dass Start-ups, Unternehmen und Investoren zusammenkommen. Veranstaltungen wie der Family Day sind eine tolle Plattform, um auf die Bedürfnisse der Start-ups eingehen zu können. Aber auch so manchem Unternehmen die Augen zu öffnen. Sie können vor Ort erkennen, wie viel Kraft in jungen Unternehmerinnen und Unternehmern steckt und welche Mechanismen sie gegebenenfalls brauchen können. Ich freue mich auf jeden Fall auf den Austausch vor Ort. 

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