In bewegten Zeiten richtig agieren – Tipps aus der Praxis
Trotz erster Anzeichen einer Erholung, sind die Zeiten in denen Startups agieren, immer noch herausfordernd.
Wir haben mit Expert:innen des HTGF über zwei aktuelle große Herausforderungen gesprochen: Wie kommen Startups am besten an Kapital? Und wie agieren sie international in unsicheren Umfeldern.

„Startups müssen verstehen, was die andere Seite wirklich braucht“ – Dr. Markus Kückelhaus, Partner im Bereich Industrial Tech, zu Chancen, Finanzierung und Partnerschaften.
Welche aktuellen Chancen und Herausforderungen siehst du für Start-ups im Jahr 2025?
Dr. Markus Kückelhaus: Für 2025 sind wir grundsätzlich optimistisch. Zum einen steigt die Zahl der Gründungen wieder – das zeigen auch die aktuellen Zahlen aus dem startupdetector Report. Zum anderen verfügen deutsche VCs über viel Dry Powder: neun Milliarden Euro, die noch investiert werden müssen. Gleichzeitig gibt es im Late-Stage-Bereich einen Rückstau, was ein neues IPO-Fenster öffnen könnte.
Herausfordernd bleiben die makroökonomischen Rahmenbedingungen: Der anhaltende Zollstreit, Inflationssorgen und ein potenziell steigendes Zinsniveau – auch wenn dieses derzeit noch niedrig ist.
Welche Aspekte sind momentan bei der Finanzierung von Startups besonders relevant?
Dr. Markus Kückelhaus: Startups sollten die Dynamiken der einzelnen Finanzierungsphasen sehr genau verstehen. Schaut man auf die Zahl der Deals oder die Bewertungen, zeigt sich ein stabiles, teils sogar wachsendes Niveau. Trotzdem bleibt vor allem die Anschlussfinanzierung in späten Phasen herausfordernd. Agilität ist hier mehr denn je entscheidend. Gerade wenn man nicht in einem sehr aussichtsreichen Themenbereich wie bspw. AI unterwegs ist, ist die Investorenansprache sehr aufwendig – es braucht viele Gespräche.
Vor allem Deep-Tech-Startups – beziehungsweise generell Unternehmen, die über Jahre hinweg noch keine Umsätze erzielen – müssen sich frühzeitig Gedanken darüber machen, welche weiteren Finanzierungsmöglichkeiten sie nutzen können. Abseits von klassischem Venture Capital sind insbesondere öffentliche Fördermittel oder weitere non-dilutive Finanzierungsoptionen essenziell, um langfristig ausreichend Kapital zur Verfügung zu haben und die langen Entwicklungszyklen überhaupt realisieren zu können.
Was ist wichtig, wenn Startups mit Unternehmen kooperieren möchten?
Dr. Markus Kückelhaus: Kooperationen mit Unternehmen sind immer aus einer Marktperspektive heraus relevant. Es geht eben nicht nur darum Finanzmittel zu bekommen, sondern vor allem auch darum, sich am Markt zu behaupten. Wir raten Start-ups daher, frühzeitig auf einen stimmigen Product-Market Fit zu achten. Reine strategisch-finanzielle Kooperationen sind seltener geworden. Einige Corporate VCs haben ihre Aktivitäten sogar ganz eingestellt – das aktuelle Umfeld macht es für Start-ups schwieriger, die auf solche Konstellationen setzen.
Start-ups sollten immer klar differenzieren: Was braucht die andere Seite tatsächlich? Geht es um Technologien, die kurzfristig einsatzbereit sein sollen – was eher für klassische Kunden-Lieferanten-Beziehungen spricht. Oder sucht das Unternehmen eine langfristige Entwicklungspartnerschaft, wie es etwa bei vielen Pharmaunternehmen der Fall ist. Wer diese Unterschiede erkennt, kann sein Angebot gezielter ausrichten und effektiver kooperieren.
„Startups müssen geopolitisch widerstandsfähiger denken – ohne sich zu verschließen“ – Dr. Tanja Emmerling, Partnerin für Digital Tech, zur internationalen Strategie in Krisenzeiten.
Welche Startups sind aktuell besonders betroffen?
Dr. Tanja Emmerling: Geopolitische Unsicherheiten wie der Zollstreit mit den USA oder globale Lieferkettenrisiken betreffen längst nicht mehr nur klassische Exporteure. Auch Startups aus den Bereichen Deep Tech, GreenTech oder KI spüren zunehmend Druck – sei es durch regulatorische Hürden, strategische Abhängigkeiten oder volatilere Finanzierungsbedingungen. Hinzu kommt: Wer auf internationale B2B-Kundschaft oder komplexe Wertschöpfungsketten setzt, wird von indirekten Effekten schnell eingeholt. In dieser Lage gilt: Startups müssen ihren Cashflow besonders im Blick behalten. Liquidität ist der Spielraum, um auf Veränderung reagieren zu können – das ist in Krisenzeiten wichtiger als Wachstum um jeden Preis.
Was rätst du Gründer:innen, wenn der Zugang zum US-Markt schwieriger wird?
Dr. Tanja Emmerling: Der US-Markt bleibt attraktiv, aber man sollte sich auf eine neue Realität einstellen: höhere regulatorische Anforderungen, politische Volatilität und mögliche Investitionshürden. Startups sollten frühzeitig lokales Know-how aufbauen – idealerweise durch Partner, Advisors oder eigene Strukturen vor Ort. Eine kluge Internationalisierungsstrategie bedeutet heute, geopolitische Resilienz mitzudenken: Welche alternativen Märkte kann ich aufbauen, ohne alles auf eine Karte zu setzen? Welche Allianzen oder strategischen Partnerschaften helfen mir, flexibel zu bleiben? Und wie kann ich meine Wertschöpfung so strukturieren, dass ich auch bei Spannungen handlungsfähig bleibe?
Welche Strategien helfen für Europa?
Dr. Tanja Emmerling: Think EU – not just US: Gerade jetzt lohnt sich der Blick nach innen. Die EU ist mehr als Regulierung – sie bietet ein wachsendes Innovationsökosystem, verlässliche Förderinstrumente wie den European Innovation Council und IPCEI sowie Chancen zur nachhaltigen Positionierung. Wer europäische Lieferketten und Absatzmärkte frühzeitig mitdenkt, stärkt seine strategische Resilienz. Und: Europa verlangt eigene Lösungen. Produkte, die in Sprache, Datenschutz und Nutzerbedürfnissen auf die regionale Vielfalt eingehen, schaffen echten Mehrwert. In Krisenzeiten zählen Fokus, schnelle Reaktion, Agilität und enge Kundenbindung. Wer diese Prinzipien ernst nimmt, kann Europa zum echten Heimatmarkt ausbauen – nicht nur als Rückzugsraum, sondern als Startpunkt für neue Stärke.