findIQ: Wissensmanagement neu gedacht – im Gespräch mit Sina
Story
Industrieanlagen werden immer komplexer, während erfahrene Fachkräfte rar werden. Diese Wissenslücke kann im schlimmsten Fall ganze Produktionslinien lahmlegen. Hier setzt findIQ an: Das Start-up hat es sich zur Aufgabe gemacht, das wertvolle Wissen technischer Expertinnen und Experten digital verfügbar zu machen – jederzeit, weltweit und für jede Anlage. Wir haben mit Sina, Mitgründerin und CEO von findIQ, über die Gründungsidee, ihre Learnings und die Pläne für die internationale Expansion gesprochen.

Wie ist die Idee zu findIQ entstanden – und was treibt euch an?
Sina: Wir lösen ein tatsächliches Problem: den Fachkräftemangel im technischen Bereich. Als wir gestartet sind, war das Problem ein wenig anders gelagert. Während der COVID-Pandemie konnten viele technische Expertinnen und Experten aus Deutschland nicht reisen, was weltweit zu rund 70 % mehr Stillstandskosten führte. Das hat deutlich gemacht, welche massiven Auswirkungen es hat, wenn erfahrene Mitarbeitende nicht vor Ort sein können, um Fehler zu finden und Probleme mit Maschinen zu lösen.
Diese Erkenntnis war unsere Gründungsmotivation. Wir wollten das Problem – zunächst in der Pandemiekrise – gezielt angehen und haben systematisch untersucht, wie eine nachhaltige Lösung aussehen könnte. Unser Ansatz war von Anfang an pragmatisch und bodenständig: Das Problem verstehen, die richtige Lösung finden und dabei langfristig denken.
Hat sich seitdem etwas verändert?
Sina: Heute stehen wir vor derselben Herausforderung: Zu wenig technische Fachkräfte für immer komplexer werdende Anlagen. Hinzu kommen Trends wie der demografische Wandel, der Fachkräftemangel und eine steigende Fluktuation in technischen Berufen. Unsere Lösung digitalisiert das Monopolwissen einzelner Expertinnen und Experten und macht es jederzeit und überall verfügbar. So können auch die nächsten Generationen Maschinen am Laufen halten, unabhängig davon, ob die Expertise vor Ort ist.
Ihr habt das Wissensmanagement im Maschinenservice neu gedacht. Was unterscheidet eure Lösung?
Sina: findIQ ist eine KI-basierte Wissensmanagementplattform für technische Anlagen, aber wir gehen das Thema grundlegend anders an. Ein entscheidender Punkt ist unsere Definition von Wissen: Für uns ist das nicht nur eine Sammlung von Daten und Dokumenten, sondern vor allem Erfahrung – also das, was oft in den Köpfen der erfahrenen Technikerinnen und Techniker steckt und nicht einfach in Handbüchern steht.
Viele KI-Modelle, wie etwa große Sprachmodelle, arbeiten rein datengetrieben. Sie können auf riesige Mengen expliziter Informationen zugreifen, aber ihnen fehlt oft das tiefe, implizite Wissen, welches in der Praxis über Jahrzehnte aufgebaut wurde. Dieses „Kopfwissen“ ist entscheidend, um Daten und Dokumente in den richtigen Kontext zu setzen – gerade, wenn es um komplexe Maschinen geht, die täglich im Betrieb sind. Wir haben von Anfang an Methoden entwickelt, um genau dieses Wissen zu digitalisieren und zu sichern. Das ist unser erster, zentraler USP.
Ein zweiter, wichtiger Unterschied liegt im eigentlichen Management des Wissens. Viele klassische Systeme sind einfache Ablagesysteme. Sie speichern einmal erfasste Informationen, bleiben dann aber starr und veralten schnell. Das reicht in der modernen Industrie nicht aus, wo sich Maschinen und Produktionsprozesse ständig verändern. Unser Ansatz ist dynamisch: Wir denken Wissen als Kreislauf, der sich kontinuierlich aktualisiert. Wir arbeiten auch nicht auf Basis von Sprachmodellen, sondern bilden die logischen Denkmuster von Expert:innen ab.
Wie macht ihr das möglich?
Sina: Wir integrieren Feedback direkt in unser System – von den Maschinenbediener:innen, Technikern und Service-Teams. So bleiben die Daten nicht nur aktuell, sondern auch relevant für die tägliche Nutzung. Dabei arbeiten wir unabhängig von Maschinendaten, was uns eine enorme Flexibilität gibt. Wir können global und branchenübergreifend arbeiten, ohne aufwändige Integrationen oder spezialisierte Hardwareanpassungen.
Am Ende schaffen wir damit ein System, das nicht nur bestehendes Wissen speichert, sondern es lebendig hält – ein echter Wettbewerbsvorteil in einer Industrie, in der Erfahrung und Effizienz über Erfolg und Stillstand entscheiden.
Was waren eure wichtigsten Learnings in der Anfangsphase?
Sina: Ein zentrales Learning war, dass unser Bauchgefühl oft der beste Kompass ist – trotz aller Ratschläge von außen. Man startet mit einer klaren Motivation und sollte sich immer wieder darauf berufen, besonders wenn viele Stakeholder ins Spiel kommen.
Unsere Kunden waren immer die wichtigste Quelle für Feedback. Wir haben uns darauf konzentriert, von dem mehr zu machen, was funktioniert, und uns von dem zu trennen, was nicht klappt – auch wenn es unkonventionell war.
Ein weiteres Learning: Erfolg bedeutet nicht, jeden Schritt perfekt zu machen, sondern kontinuierlich Fortschritte zu erzielen. Manchmal reicht der nächste Schritt in die richtige Richtung, anstatt direkt 100 % zu erreichen.
Nach eurer jüngsten Finanzierungsrunde: Welche nächsten Schritte stehen jetzt auf der Agenda?
Sina: Internationalisierung ist für uns ein logischer Schritt. Unsere Kunden – insbesondere Maschinenbauer aus Deutschland – exportieren ihre Produkte weltweit. Dementsprechend müssen auch wir global denken.
Der nächste Zielmarkt sind die USA, wo Fachkräftemangel als „Skill shortage“ oder „Labor shortage“ institutionellen Umgang findet. Die demografische Entwicklung dort ist ähnlich wie in Deutschland, nur in größerem Maßstab. Mit unserer Finanzierungsrunde wollen wir diesen Markt systematisch erschließen – mit Partnern und eigenem Personal vor Ort.
Wir haben uns bewusst für die USA entschieden, weil dort die Nachfrage vorhanden ist und die kulturellen Unterschiede überschaubar sind. Wichtig war uns auch, schon erste bereits bestehende Kundenbeziehungen aufbauen zu können und durch frühe Umsätze eine Grundlage zu schaffen.
Was würdest du Gründerinnen und Gründern mitgeben, die gerade erst starten?
Sina: Sei dir bewusst: Gründen ist eine lebensfüllende Aufgabe! Man muss lernen, mit Widerständen umzugehen und sich von der Vorstellung lösen, dass alles einfach und glatt läuft. Kundenfeedback ist Gold wert, denn es zeigt, was tatsächlich funktioniert. Jeder Schritt in die richtige Richtung zählt. Es muss nicht alles perfekt sein.
Vielen Dank für deine Zeit und die Einblicke!
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