Mit Erfahrung Neues schaffen: Der neue HTGF-Geschäftsführer Dr. Achim Plum im Interview
Innovationslust und Leidenschaft für Life Sciences – diese Eigenschaften zeichnen Dr. Achim Plum aus. Seit dem 1. Januar 2025 ist der promovierte Genetiker Teil der Geschäftsführung des High-Tech Gründerfonds (HTGF). Mit über 25 Jahren Erfahrung in der Life-Sciences-Branche bringt er tiefes Fachwissen und Managementerfahrung ein. Im Interview spricht er über die Lehren aus seiner Karriere, seine neue Rolle und die Zukunft der Branche.

Herzlich willkommen, Achim. Wir freuen uns sehr, dass du seit dem 1. Januar als Geschäftsführer neu bei uns an Bord bist.
Dr. Achim Plum: Ich freue mich auch sehr. Es waren intensive erste Wochen, aber im besten Sinne. Der Dealflow beim HTGF ist beeindruckend, und die Kolleginnen und Kollegen bringen unglaublich viel Expertise mit. Das Team hat mich bei allen wichtigen Themen direkt eingebunden – dafür schon einmal einen herzlichen Dank! Die Einarbeitung fällt mir dadurch leicht, und ich freue mich darauf, in den nächsten Wochen noch viel tiefer einzutauchen, unsere großartigen Partner kennenzulernen und gemeinsam mit dem Team, unseren Portfolio-Unternehmen und Fondsinvestoren das Start-up-Ökosystem weiter zu stärken und Innovation voranzutreiben.
Was ist dir wichtig bei der Zusammenarbeit?
Dr. Achim Plum: Ich persönlich funktioniere am besten in Teams, die eine hohe intrinsische Motivation und einen starken Anspruch an sich selbst haben. Meine Aufgabe sehe ich darin, mit meinem Team eine klare Vision zu entwickeln und es zu unterstützen, diese Vision gemeinsam umzusetzen – und dabei möglichst viel Spaß zu haben. Ein respektvoller Umgang, Transparenz und eine offene Unternehmenskultur sind dabei essenziell. Es geht darum, ein Umfeld zu schaffen, in dem Kreativität und Leistung Hand in Hand gehen.
Was hast du beim HTGF vor?
Dr. Achim Plum: Der HTGF feiert in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum und hat seitdem Großartiges erreicht. Gleichzeitig sehe ich Chancen und auch die Notwendigkeit, unsere Value Proposition – also unser Angebot für Gründer:innen und Fondsinvestoren – kontinuierlich weiterzuentwickeln. Aus unserer Stärke heraus können wir weiter wachsen, unser Portfolio noch besser unterstützen und den Mehrwert für Gründer:innen und Partner:innen steigern.
Was reizt dich an deiner neuen Aufgabe beim HTGF?
Dr. Achim Plum: Der HTGF hat als Public-Private-Partnership einen klaren Auftrag: Er soll als Katalysator im Start-up-Ökosystem wirken und die Innovationskraft Deutschlands stärken. Die Doppelrolle zwischen öffentlichem Auftrag und dem Anspruch, ein finanziell erfolgreicher Investor zu sein, macht die Aufgabe besonders spannend. Die Mission des HTGF ist ja, Start-ups mit innovativen Technologien und Geschäftsmodellen zu finanzieren und zusammen mit den Gründer:innen zukünftige Marktführer zu formen. Ich finde es sehr aufregend, diese Mission nun mit voranzutreiben – natürlich besonders im Bereich Life Sciences, den ich schwerpunktmäßig betreuen werde. Hier können wir stolz sein auf hochkarätige Start-ups und spektakuläre Exits. Ich möchte unsere Position als „Smart Money for Life Sciences“ weiter stärken und ausbauen.
Du sprichst Life Sciences an: Dein Hintergrund liegt in diesem Bereich.
Dr. Achim Plum: Genau. Ich bin promovierter Genetiker und seit 25 Jahren in der Life-Sciences-Industrie tätig. Dabei habe ich Unternehmen in der Früh- und Wachstumsphase, aber auch große Technologiekonzerne kennengelernt. Ich habe auf meinem Weg viele innovative Technologien und Geschäftsmodelle kennengelernt, Unternehmen aufgebaut, umgebaut und – manchmal leider auch – abgebaut. Diese Erfahrungen haben mir gezeigt, was Start-ups, aber auch etablierte Unternehmen, wirklich brauchen und wie man die Zusammenarbeit zwischen ihnen produktiv gestaltet.
Und in dieser Zeit hast du auch zwei Börsengänge begleitet. Wie stehen wir in Deutschland in diesem Bereich deiner Meinung nach da?
Dr. Achim Plum: Der deutsche Kapitalmarkt ist nach wie vor recht risikoavers, was ihn in einigen Bereichen weniger dynamisch macht. Ein weiterer Punkt ist, dass hierzulande große Pensionsfonds als wichtige Akteure fehlen, die in anderen Ländern oft eine zentrale Rolle spielen. Für umsatz- und insbesondere profitgetriebene Equity Stories funktioniert der Markt zwar ganz gut, aber bei Unternehmen aus der Life-Science-Branche wird es schwieriger. Diese Unternehmen sind oft sehr kapitalintensiv, da sie klinische Studien finanzieren müssen oder in einem stark regulierten und konservativen Umfeld agieren. In der risikoreichen Entwicklungsphase kommt dann häufig der Punkt, an dem der Börsengang (IPO) als einzige Finanzierungsoption bleibt – z.B. wenn sich noch keine Pharmaunternehmen als Entwicklungspartner oder Käufer findet. Und hier zeigt sich: An der Nasdaq kann das noch ganz gut funktionieren, in Europa eher nicht. Wenn die Aktionäre eines R&D-getriebenen Technologie-Unternehmens unmittelbar nach dem Börsengang Dividendenausschüttung erwarten, weiß das Management, dass es am falschen Börsenplatz gelistet ist… Aber ich bin optimistisch, dass sich die Einstellung dazu auch hierzulande verbessern wird… Sie muss es.
Du hast in deinen vorherigen Stationen die Finanzierungsperspektiven von Unternehmen in allen Entwicklungsstadien kennengelernt. Magst du ein paar Learnings mit uns teilen?
Dr. Achim Plum: Es gibt ein paar Weisheiten, die ich auf diesem Weg gesammelt habe, die aber nie alt werden:
- Go for Smart Money, not Easy Money
- Listen, Listen, Listen & Learn
- Funding follows strategy
- Stay focused & deliver
Das bezieht sich eigentlich alles auch auf die Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Corporates. Was sind deine Erfahrungen in diesem Bereich?
Dr. Achim Plum: Die größte Herausforderung ist oft das gegenseitige Verständnis. Das lässt sich oft nur mit dem englischen Begriff „Lost in Translation“ beschreiben. Die Kulturen und ökonomischen Rahmenbedingungen sind oft sehr unterschiedlich. Da ich beide Seiten kenne, habe ich gelernt, wie man hier Brücken baut. Heute sind Konzerne aber auch besser aufgestellt, um mit Start-ups zusammenzuarbeiten. Das Insourcing – also die Eingliederung von innovativen Technologien – ist jetzt eher der Standard als die Ausnahme. Dazu trägt auch die Arbeit des HTGF bei. Wir bringen Start-ups mit Mittelständlern und Konzernen zusammen und schaffen so Mehrwert an vielen Punkten der Wertschöpfungskette in Form von Kooperationen oder M&A für alle Beteiligten.
Was sind deine Tipps für Gründer:innen im Life Science Bereich?
Dr. Achim Plum: Ganz kurz und knapp: Exzellente Wissenschaft ist der Schlüssel – aber sie allein reicht nicht aus; sucht keine Probleme für Eure Lösung, entwickelt Lösungen für reale Probleme; habt den Mut, die Dümmsten in Eurem Team zu sein.
Wo stehen wir im Bereich Life Sciences aktuell? Welche Entwicklungen fallen dir besonders auf?
Dr. Achim Plum: Wir können heute – dank moderner Hochdurchsatztechnologien –riesige Mengen hochaufgelöster biologischer Daten sehr kostengünstig erzeugen. Gepaart mit fortschrittlichen Methoden der Datenanalyse und KI besteht damit z.B. die Möglichkeit, Krankheitsmechanismen bessern zu verstehen und daraus neue Therapieansätze abzuleiten und effizienter zu entwickeln. Diese lassen sich durch klassische Small Molecule Drugs, Biologicals und (Stamm-)Zelltherapien realisieren. Genome Editing eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Gentherapie. Zudem werden wir immer mehr entscheidungsunterstützende Systeme in der medizinischen Diagnostik sehen, die auf großen, heterogenen Datensätzen aufbauen und deren Algorithmik mit Hilfe von KI entwickelt wurde, die perspektivisch, aber auch aktive KI enthalten werden.
Und wenn wir noch weiter in die Zukunft blicken – was siehst du langfristig?
Dr. Achim Plum: Langfristig sehe ich großes Potenzial in der synthetischen Biologie. Sie könnte uns helfen, große Herausforderungen wie den Klimawandel oder den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft zu bewältigen. Gleichzeitig wird die Medizintechnik weiter voranschreiten. Man denke nur an intelligente Implantate, innovative Mensch-Maschine-Schnittstellen oder implantierbare Biosensoren, die frühzeitige und optimierte medizinische Interventionen ermöglichen können.
Der HTGF ist durch seine Vernetzung in der Forschungslandschaft sehr gut positioniert, solche Zukunftsthemen frühzeitig zu erkennen und mit seinen Portfoliounternehmen nach vorne zu bringen.
Zum Schluss: Wenn du dich mal nicht intensiv mit dem Start-up-Ökosystem und der Zukunft von Life Science beschäftigst, was machst du dann?
Dr. Achim Plum: Du meinst privat? Ich bin ein passionierter Fotograf, koche gerne für meinen Partner und Freunde, genieße das Berliner und Köln-Bonner Kulturangebot und verreise gerne und viel. Aber es darf auch mal ein gutes Buch bei einem Rotwein vor dem Kamin sein.

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