Kunststoffabfall und Kreislaufwirtschaft: Maike Lambarth und Dominik Novakovic von Cyclize im Gespräch
Das HTGF-Portfoliounternehmen Cyclize recycelt Kunststoffabfälle unter Zugabe von CO2 zu Synthesegas für chemische Prozesse. Im Interview teilen die Mitgründer Maike Lambarth und Dominik Novakovic ihre Erfahrungen und Herausforderungen bei der Gründung des Climate Tech-Unternehmens. Sie berichten, wie alles angefangen hat – von der ersten Idee bis zum Aufbau einer größeren Versuchsanlage. Außerdem geben sie wertvolle Tipps für Gründer:innen. Ganz wichtig dabei: Durchhaltevermögen und Teamzusammenhalt.
Wie kam es zu der Idee von Cyclize und zur Gründung?
Maike Lambarth: Wir haben an der Universität Stuttgart an einem Projekt gearbeitet, in dem es darum ging, aus CO₂ Schiffsdiesel herzustellen. Unser Part war es, einen Plasmareaktor zu entwickeln, der CO₂ spalten kann. Stephan Renninger, unser jetziger CTO, hat damit im Herbst 2018 angefangen und ich bin Anfang 2019 dazu gestoßen.
Wir waren beide wissenschaftliche Mitarbeiter mit Ingenieurshintergrund und hatten bis dato wenige Berührungspunkte mit Plasma. Diese Unbefangenheit erwies sich als Vorteil, da wir ohne festgefahrene Vorstellungen an das Thema herangehen konnten und verfolgten einen unkonventionellen Ansatz. Etwa ein Jahr später stieß unser späterer Mitgründer Jan Stein zu uns. Er war zu Beginn als Student dabei und hat von Anfang an wertvolle Arbeit geleistet. Als das Forschungsprojekt dann endete, mussten wir zusammenfassen, dass die CO2-Spaltung technisch zwar sehr gut funktionierte, diese jedoch durch ihren hohen Energiebedarf bis hin zur Herstellung von Diesel heute und auf absehbare Zeit unwirtschaftlich war.
Wir wussten aber, dass wir mit unserem sehr effizienten Plasmareaktor Kohlenstoff recyceln können. Die Frage war also, ob es eine andere wirtschaftliche Anwendung gibt. Stephan hatte schließlich die Idee, Kunststoffabfälle zu nutzen. Das hatte zwei entscheidende Vorteile: Zum einen erhielten wir dadurch eine zusätzliche Kohlenstoffquelle, zum anderen eine Energiequelle. So konnte der Bedarf an elektrischer Energie erheblich reduziert werden, wodurch das Verfahren unter heutigen Marktkonditionen wirtschaftlich tragfähig ist. Die Idee für Cyclize war geboren!
Und dann bist du zum Team gestoßen, Dominik.
Dominik Novakovic: Ja, richtig. Es stellte sich die Frage, welche Fördermöglichkeiten am besten geeignet wären, um die Technologie aus der Forschung in die Anwendung zu bringen. Im Zuge der Bewerbung für den EXIST-Forschungstransfer wurde klar, dass jemand mit betriebswirtschaftlichem Know-how benötigt wurde, und so stieß ich 2022 dazu. Wir sind mit der Förderung durch den EXIST-Forschungstransfer gestartet, haben im Rahmen dessen viele technische Meilensteine erreicht, uns weiter als Team geformt und großes Interesse vom Markt erhalten, was schließlich 2023 zur Gründung der GmbH geführt hat.
Ihr richtet euch an die Chemieindustrie. Wie profitiert diese von eurer Lösung?
Maike Lambarth: „To cyclize“ bedeutet im Englischen, eine Kohlenstoffkette zu einem Kreis zusammenzuschließen. Wir können mit Cyclize drei Aspekte abdecken: Erstens können wir fossile Einsatzstoffe wie Erdgas ersetzen, indem wir Synthesegas herstellen, das als Grundbaustein für viele Produkte dient. Zweitens können wir Kohlenstoff recyceln und damit Kunststoffabfälle verwerten, die bisher nicht recycelt werden können. Dabei brauchen wir keine Vorsortierung, sondern können gemischte, verklebte, beschichtete oder mit anderen Materialien gefüllte Kunststoffe recyceln. Unser Prozess erzeugt Gas, das verglichen mit flüssigen Produkten einfach zu reinigen ist. Drittens können wir neben Kunststoffabfällen auch CO2 recyceln und zur Herstellung von neuen Kunststoffprodukten nutzen. Dies ist eine seltene Fähigkeit, da die meisten Technologien CO2 nur abtrennen und lagern, jedoch nicht stofflich verwerten.
Dominik Novakovic: Ein weiterer entscheidender Faktor zur Skalierung unserer Lösung in der chemischen Industrie ist die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens. Die chemische Industrie steht vor erheblichen Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf CO2-Emissionen und die Nutzung fossiler Ressourcen. Unsere Lösung bietet ein Verfahren, das preislich mit bestehenden Lösungen konkurrieren kann, und damit ein wesentlicher Baustein der zukünftigen Chemieindustrie sein kann.
Wir beobachten, dass in der Industrie ein großer Druck besteht, Prozesse zu entwickeln, die nicht auf fossilen Brennstoffen basieren, und dass Lösungen gefragt sind, die wirtschaftlich konkurrenzfähig sind. Unsere Technologie kann diese Anforderungen erfüllen. Es ist nicht nur wichtig, einen Prozess zu bieten, sondern auch sicherzustellen, dass die Lösung skalierbar und marktfähig ist.
Wo haben sich eure Wege mit dem HTGF gekreuzt?
Dominik Novakovic: Deutschen Start-ups im Hardware-Bereich ist der HTGF ein Begriff. Wir haben schon früh Kontakt aufgenommen. Eine entscheidende Begegnung fand dann auf dem Chemistry Pitch Day 2023 statt. Das Team verfügt über umfassende Expertise und weiß sehr gut, wie erfolgreiche Hardwareunternehmen aufgebaut und skaliert werden. Wir sind sehr froh, dass der HTGF jetzt Teil unserer Reise ist.
Stichwort Skalierung: Womit beschäftigt ihr euch aktuell und was sind die nächsten Herausforderungen?
Maike Lambarth: Mit unserem Demonstrator an der Uni Stuttgart bieten wir Versuchsreihen an: Firmen stehen vor der Herausforderung der Zirkularität und der Nettonull für ihre bestehenden Produkte. Wir bieten hier eine passende Lösung. Die Unternehmen senden uns entweder Industrieabfälle oder auch End-of-Life Produkte zu, die sie in Zukunft recyceln wollen. Ziel ist, zu testen, inwieweit unsere Technologie eine wirtschaftliche Lösung darstellt.
Zusätzlich arbeiten wir gerade an der Inbetriebnahme eines deutlich größeren Demonstrators, der bereits semi-kontinuierlich und in industrienaher Umgebung läuft. Die Universität Stuttgart bietet hier mit ihrem eigenen Forschungskraftwerk eine hervorragende Infrastruktur. Ab 2025 ist unsere große Aufgabe, die erste Pilotanlage in einem Chemiepark zu realisieren. Das bildet die Grundlage für unsere erste kommerzielle Chemieanlage im industriellen Umfeld eines Chemieparks.
Es gibt also viel zu tun. Sucht ihr aktuell Verstärkung?
Dominik Novakovic: Im ersten Jahr sind wir bereits stark gewachsen und sind jetzt ein interdisziplinäres Team von über zehn Kolleg:innen. Wir sind immer auf der Suche nach Personen, die Erfahrung und Expertise in unserem Bereich mitbringen und mit uns die Chemieindustrie defossilisieren.
Was wären eure drei Ratschläge für (angehende) Gründer:innen im Hardware-Bereich?
Maike Lambarth: Mein erster Tipp wäre, sich nicht entmutigen zu lassen, denn gerade im Hardware-Bereich begegnet man viel Pessimismus. Man hat uns oft gesagt, dass es nicht funktionieren wird, dass wir zu viel Geld brauchen und dass die Technologie schwierig zu skalieren sei. Entgegen diesen Einschätzungen haben wir eine sehr erfolgreiche Seed-Runde über 4,75 Millionen Euro abgeschlossen und erhalten zahlreiche Anfragen aus dem Markt. Man darf also seinen Weg gehen und an seine Vision glauben.
Dominik Novakovic: Mein Rat ist, von den Erfahrungen anderer zu lernen. Es gibt so viele Menschen, die den Weg der Unternehmensgründung gegangen sind, erfolgreich oder nicht. Ihre Erfahrungen sind wertvoll und können helfen, den eigenen Weg zu finden. Man sollte eine konkrete Vorstellung haben, aber auch offen gegenüber der Expertise und Erfahrungen anderer sein.
Maike Lambarth: Und unser dritter Punkt: Zeit ins Team investieren. Oft scheitert es an diesem Punkt. Wir haben schnell gelernt, dass es wichtig ist, sich regelmäßig zusammenzusetzen und auch über zwischenmenschliche Dinge zu sprechen.
Vielen Dank für die spannenden Einblicke!
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